Wie gerne würde ich dir sagen, was ich für dich empfinde. Dennoch weiß ich jetzt schon, dass du diesen Brief niemals lesen wirst…
Tag für Tag quält mich die Sehnsucht nach deiner Nähe. Du weißt es nicht, nein du ahnst es nicht einmal und ich glaube, es interessiert dich auch nicht, da wir uns nicht kennen. Doch wenn du an mir vorüber schreitest, dein Blick zielgerichtet nach vorne streift mich nicht, so bleibt die Zeit stehen. Mein Herz setzt aus, ich kann kaum atmen, eben noch vor mir, stehst du nun ganz nah neben mir und ich versinke in deinem Duft. Nicht nur dein Geruch, dein ganzes Sein umgibt mich, hüllt mich ein und mein ganzer Körper steht unter Strom. Jedes einzelne Härchen auf meiner Haut steht senkrecht, auch dann noch, wenn du schon längst vorbei gegangen bist.
Ich blicke dir nicht nach. Wozu auch, dein Bild hat sich unwiderruflich in mein Gedächtnis gebrannt und begleitet mich überall hin durch Tag und Nacht. Ich stelle mir vor, wie es mit uns beiden wäre. Wie wir miteinander zärtlich wären – immer und immer wieder. Gemeinsam erleben wir die Leichtigkeit des Seins im Hier und Jetzt. Im Gewühl aus Bettlaken und Kissen Uns gegenseitig Lust spenden am anderen sich satt lieben. Im Alltag leben und wissen, das da jemand ist, mit dem man sein Leben teilen kann. Ich fühle mich geborgen, wenn du neben mir liegst und schläfst.
Die anfängliche Verliebtheit wandelt sich in Vertrautheit und tiefe Verbundenheit. Vielleicht…
Irgendwann kennen wir uns in und auswendig, wissen den anderen zu schätzen – oder auch nicht. Früher oder später kommt der Moment, an dem man sich am anderen übersättigt hat. Wir werden einander überdrüssig, kleine Unzulänglichkeiten werden zu inakzeptablen Verhaltensweisen. Wir sehen uns an und haben uns nichts mehr zu sagen. Schmerz in beiden Seelen über die enttäuschten Hoffnungen, die wir in uns gesetzt haben.
Jeder für sich entschwindet in der grauen Masse – was bleibt sind Erinnerungen – auf der Suche nach neuem Glück.
An einem unbestimmten Ort, zu einer unbestimmten Zeit: Da ist es wieder, diese Spannung in der Luft, dieses Kribbeln auf der Haut wenn wir uns im vorbeigehen wahrnehmen als flüchtig bleibende Impression im Fluss der Kollektivgesichter.
Verfasser unbekannt
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Foto JK ©23/01/2020