Friedrich Hebbel deutete die Existenz als den Augenblick, den höchsten Brennpunkt, auf den die ganze Vergangenheit nur vorbereitet. Diesen ansehen und genießen, das würde letztlich Leben heißen! Gewiss sind heute eher die Internetkonzerne und Netzwerke mit ihrem Datendurst vom Drang beseelt, „unsere Existenz zu definieren“, in welcher Weise und in welchem Ausmaß sie agieren können, regelt aber noch immer der demokratische Rechtsstaat. (jedenfalls sollte er das!)
Das Netz ist allgegenwärtig und doch, auch wenn für manchen kaum vorstellbar, gibt es längst nicht jedem eine Heimat. Das Netz bleibt denen vorenthalten, die es sich nicht leisten können und mit der grade beschlossenen Netzneutralität wird es wohl noch mehr „arme Menschen“ aussortieren.
Vergessen wir das bitte nicht !
Oh je die Armut, das erinnert mich an meine Zeit 2009 in Berlin…
Sie begleitete mich dort ständig.
An manchen Tagen bekommst du zig mal eine Zeitung vor den Kopf gehalten. Das Obdachlosenblatt verfolgte einen von früh bis spät. Einmal habe ich völlig genervt, überzogen abgewinkt und den Spruch nachgeschoben, er wäre der zwanzigste Verkäufer heute und ich hätte die Schnauze voll.
Irgendwie habe ich dann aber die Kurve bekommen und ihn verfolgt um ein sorry los zu werden. Danach haben wir uns fast eine Stunde unterhalten. Er erzählte mir von seiner Heroinsucht und dem Metadonprogramm und wie er versucht sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Respekt, denn eigentlich war er ja einer von uns, jede Menge Ideen in der Birne und sprudelnd vor Tatendrang nur leider irgendwann den falschen Abzweig genommen.
Selbst junge Mädchen habe ich an den Ufern der Spree gefunden. Eingewickelt in ihren Klamotten, umringt von leeren Bierflaschen, lagen sie dort herum. Die Flaschenmafia treibt in Berlin überall ihr Unwesen und wird auch schon mal handgreiflich wenn wer in fremden Revieren sammelt. Und dann sind da natürlich noch die Rumänen die keinen Versuch auslassen dich um dein Kleingeld zu bringen.
Mir fällt dazu das Lied von Peter Fox ein, dort heißt es:
„Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein so dreckig und grau“.
Ich glaube der weiß wovon er singt, auch das ist Kreuzberg. In den Textzeilen spiegelt sich durchaus ein Stück Kreuzberg wieder. Die Kotze am Kotti, die Gespräche der jungen Türken, die vielen Heroinabhängigen und all die kaputten Typen, die hier am Kotti, also dem Kottbusser Tor so rumhängen. Es brauchte schon etwas Mut und Selbstvertrauen hier in die U-Bahn herunter zu gehen und den Zug zu nehmen. Überall finstere Gestalten die dich von oben bis unten mustern. Beunruhigende Blicke fielen oft auf meine Fototasche, der jedermann von außen bereits ansah, dass es sich hierbei wohl nicht um eine normale Kamera handelt.
Aber nun wo das Jahr bereits lange vorbei ist kann ich es auflösen, ich habe alles unbeschadet überstanden. Es gibt in Kreuzberg drei Plätze die man schon immer mit etwas Vorsicht begehen sollte.
Zum einen bereits genannt, das Kottbusser Tor mit seinen vielen Junkies und Dealern. Dann aus gleichem Grund den Herrmannplatz und zum Dritten den Mehringplatz. Wobei letzterer eher durch durchgeknallte Jugendlich besticht und gerade dies oft die größte Gefahr für Leib und Seele darstellt.
Nachts ist dann schon eher die ganze Stadt mit Vorsicht zu genießen, denn auch ich kam in manche Pöbelei und das nicht nur in Kreuzberg. Wobei ich mich durch Nichtbeachtung immer gut aus der Atmosphäre gezogen habe…
Nun eines habe ich in Berlin gelernt, oder ehrlicherweise lernen müssen:
Man ist nicht arm, wenn man kein Geld hat.
Arm ist man, wenn man denkt es sei davon abhängig.
In diesem Sinne Euch schöne Feiertage…
Foto/Text JK 31/10/2017
Danke und auch dir schöne Feiertage. 🙂
LikeGefällt 1 Person