Gestern sah ich einen Bericht über das Maybachufer in Berlin. Plötzlich waren alle Erinnerungen neu geboren. Wie oft habe ich dort ums Eck meine Mutter von der Arbeit abgeholt und dann sind wir über den Markt nach Hause gelaufen. Immer lang am Landwehrkanal und in einer guten halben Stunde konnte man es schaffen.
Kreuzberg war immer ein spannender Kiez und auch wenn das Maybachufer bereits zu Neukölln zugerechnet wurde, gehörte es für mich einfach zu Kreuzberg dazu. An jeder Ecke spüre ich all die Erinnerungen ruhen und es braucht nicht viel um sie alle wieder abzurufen. Der Kiez war eben Kiez und von A nach B ging es eben fast alltäglich.
Ich muss mal wieder vorbei und gucken ob Anni noch lebt. Anni war die Grand Dame der Curry Wurst. Bei ihr konnte man auch morgens um 5 Uhr noch an den Stand fahren um eine Curry zu verschlingen. Ganz berühmt war ihr Schaschlik, fast ebenso wie ihre Berliner Klappe. Anni habe ich das letzte mal 2009 besucht und war erstaunt, dass sie immer noch in der Bude steht. Immerhin haben wir uns, so meine ich, 1972 kennengelernt und seitdem schmeckt die Wurst, wie sie soll.
Ich weiß noch damals habe ich sie angesprochen und mit ihren fast 80 Jahren sagte sie zu mir: „Ick mach lieber die Nachtschicht lieber Jürgen, det is spannender“. Ja, ja so war die Anni und ich hoffe mal sie ist noch aktiv unter uns lebenden.
Kreuzberg das war schon immer ein eigenes Völkchen und entweder konnte man mit denen, oder aber nicht. Die Mitte gab es irgendwie nicht und das ist auch kein Wunder wenn man bedenkt, dass Kreuzberg früher ja Randbezirk mitten in der Großstadt Berlin war. Ja zumindest wenn man nördlich in Kreuzberg unterwegs war, stieß man permanent an die Grenzen, also die Mauer welche die Stadt ja in der Mitte durchteilte.
Demnächst muss ich mal wieder einfliegen, auch wenn meine Zeit immer knapp bemessen ist. Ein Weg durch den ehemaligen Kiez zu machen, das ist auch ein wenig schwelgen in alten Zeiten und eintauchen in die schöne Vergangenheit.
Es ist nur traurig, dass schon so viele gegangen sind und so hat man neben den vielen Glücksgefühlen eben immer auch ein wenig Wehmut im Gepäck.
Lassen wir die Erinnerungen nun mal ruhen und kümmern uns ein wenig um das gegenwärtige Leben…
Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch, Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen, wo man geht und steht – aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können!
© Anneliese Bödecker
In diesem Sinne, noch einen schönen Rest-Tag.
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Foto/Text JK ©27/02/2017
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