Egoismus belastet andere. Und seine Bedeutung für die menschliche Evolution scheint geringer zu sein als viele denken. Gesunden Eigensinn aber brauchen wir.
Eigensinn & Egoismus, Zwei, die man gerne mal miteinander verwechselt und die so nicht gerne im Rampenlicht stehen. Dabei ist grade der Eigensinn für uns Mega wichtig um nicht selbst verletzt zurück zu bleiben. Eigensinn bedeutet prinzipiell nichts anderes, als dass ich meine eigenen Bedürfnisse erkannt habe und mich mit ihnen auseinandersetze.
Der Sinn für die eigenen Bedürfnisse und Wünsche ist eine wichtige Voraussetzung für die seelische Gesundheit und er schafft die Basis für ein gedeihliches Miteinander. Nur wer Sinn für das Eigene hat, kann auch den Eigensinn anderer Menschen respektieren. Dies ermöglicht gegenseitige Rücksichtnahme, Toleranz und Frieden.
Was hinter mangelndem Eigensinn steckt und wie man ihn stärken und mit Leben füllen kann, muss daher jeder für sich herausfinden. Menschen, die unter mangelndem Eigensinn leiden, das sind zum Beispiel Menschen, die um des lieben Friedens willen viel zu oft Kompromisse eingehen. Menschen, die ihre eigenen Bedürfnisse nicht ernst nehmen oder sie vielleicht auch noch nicht mal besonders gut kennen. Menschen, denen es schwerfällt, ihre Meinung zu äußern, und die, wenn sie es tun, sich danach selbst Vorwürfe dafür machen.
Am Ende sind es Menschen, die im Ganzen nicht das Leben führen, das sie gerne führen möchten.
Es geht beim Eigensinn allerdings nicht darum, immer und überall seinen Kopf durchzusetzen. Es gibt Situationen, in denen macht es Sinn zurückzustecken.
Ob man zu wenig Eigensinn hat, merkt man am ehesten dann, wenn es zu einer Schieflage kommt. Wenn man sich auf Dauer viel zu oft leer und fühlt und darunter leidet, dass man nicht das Leben führt, das man eigentlich führen möchte. So kann mangelnder Eigensinn dann auch dazu beitragen, dass jemand unter Depressionen leidet oder in einen Burnout gerät.
Die entscheidende Frage muss daher sein, wie gelingt es mir, meine Bedürfnisse nicht nur besser kennen zu lernen, sondern mich auch dafür einzusetzen, wenn sie anderen nicht in den Kram passen? Wie bekomme ich es hin, Position zu beziehen und das immer und ewige „Nettsein“ nicht zu meiner obersten Priorität zu machen?
Wieso es mir oft so schwerfällt, für mich selbst einzustehen, und was es bedeuten würde, mehr Eigensinn zu entwickeln, kann man wie so oft im Leben nur herausfinden, wenn man sich ein wenig mehr auf sich selbst einlässt. Nur der ehrliche Selbsttest und die anschließende Analyse werden uns aufzeigen was ermutigt, zu sich selbst zu stehen und eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten zu sein.
Der bloße Verzicht um „des lieben Friedens Willen“ ist jedenfalls auf Dauer der Weg, der mich in die Täler von Burnout und anderen seelischen Leiden absteigen lassen. Dass das nicht passiert, sollte ich mir doch einfach Wert sein.
Auch wenn es hier mal ausnahmsweise wirklich rein egoistisch ist…
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Foto/Text JK ©19/06/2016
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