Freunde, die mich schon ein wenig länger kennen, werden sich fragen, wie kommt man denn nun auf Brooklyn in NY ?Nun ja, das ist erst mal gar nicht so leicht erklärt, wenn man Kreuzberg, also das Alte, nicht kennt. Berlin zu Zeiten des eisernen Vorhang war eine Insel des Glücks. Natürlich waren es 1961 erst einmal auch schwere Zeiten der Trennung. Doch die jungen, die zum Teil erst geboren, oder wie meiner einer fast den 68ern angehört, die haben den Westteil der Stadt Berlin geprägt. Es gab nie so eine geniale Revolution der Künstler, die sich wie geschehen in Kreuzberg ihren Wohnraum eroberten und gegen jedes Establishment veränderte. Wir machten Musik mit Leuten wie Bowie und Rio Reiser, es wurde der Punk geboren während Reinhard Mey noch auf meinen öffentlichen Straßen spielte und auch die eine oder andere Mark von mir in seinem Gitarren Koffer landete.
Ich war oft mit den verrückten Dall, Roski & Co ein Pils trinken und die damals noch „blau“ gekleideten Bullen sorgten für Feuer um die Tüte anzurauchen.
Heute…?
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Alles vorbei, nicht mehr denkbar, traurig aber wahr. Kreuzberg hat sich verändert, Berlin hat sich verändert. Wo früher eingeweihte wie ich, schrille Feten unter den teils noch zerbombten Häusern feierten, da tanzt heute ein ganz anderer Mob. Einer von dem die Welt sagt er wäre reich geboren und werde irgendwann voller Langeweile auch mit seinem Reichtum sterben.
Brooklyn ist heute noch das Kreuzberg von gestern. Es ist kein Abbild, jedoch es hat den selben Ursprung wie Kreuzberg und ist sich gewissermaßen dabei treu geblieben. Natürlich haben sich auch dort die Menschen verändert, und natürlich haben sich auch die Bauweisen und deren Architekten angepasst, jedoch hat dieses Brooklyn immer noch die gleiche Substanz und durch die Kontinuität der amerikanischen Geschichte, ist es nicht jener Erneuerung ausgesetzt worden wie Kreuzberg, dieser entartete Stadtteil, im Herzen von Berlin.
Man darf ja nie vergessen, dass da wo für uns Wessis im Zentrum der Stadt Berlin die Mauer begann, eine Enklave der Ruhe, fast 30 Jahre lang das Sammelbecken der künstlerischen Szene war und mit dem Fall der Mauer deren Todesurteil gesprochen wurde. Höchstens noch kleine Inseln innerhalb des Bezirk halten bis heute die Erinnerung scheinbar wach. Jedoch klopfen draußen schon die neuen Besitzer und drohen durch ihre teuren Anwälte mit Enteignung und den Folgen.
Brooklyn aber ist noch. Natürlich hat es sich dort auch verändert, aber es gab nie wirklich Eilanträge und Zwänge. Denn die eigentliche Diva bleibt New York und die stellt sich auch nicht in Frage sondern baut selbst hoch hinaus und profitiert seit je her mäßig von ihrem Speckgürtel.
Vielleicht kam mein Aufschrei „wir ziehen nach Brooklyn“ ja nicht ohne. Vielleicht war es einfach die stille aber quälende Sehnsucht, nach all den Jahren in denen mein Hauptanliegen war das Leben so zu nutzen wie ich es mir vorstelle und nicht wie ein Establishment es für mich dann mal vorbereitet hat.
Gestern schrieb ein guter Freund über die Zeit. Die Zeit, das ist die große allmächtige Gewalt in unserem Leben, der wir nicht entrinnen werden, noch können. Und so wird es am Ende auch wieder einmal die Zeit entscheiden, was wird, was kommt, was geht. Auch wenn es nun schweren Herzens darum geht die letzten Jahre, Monate, Wochen, oder wer weiß es schon, vielleicht nur Tage zu bestimmen, bestimmt auch wieder einer mit, dem wir das eigentlich nicht so gerne zugestehen.
Alles hat seine Zeit, heißt es da so schön im Buch der Bücher
und doch gibt uns auch das größte Buch auf Erden
nicht den Schlüssel für diese Scheinbar unendliche Ressource.
So wird irgendwann die Erde weiter drehen
Menschen werden durch die Gegend flitzen
und neue Dinge werden entstehen.
Ohne uns, denn wir, die wir den Schlüssel
nie haben finden können, hatten bereits unsere Zeit…
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Foto/Text JK ©11/06/2016
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