Und es gibt kein“Zurück“…

Da ist es wieder, dieses scheiß Gefühl, hervorgerufen durch ein simples Schauspiel im Fernsehen.  Die Auslöschung, ein Fernsehfilm aus 2013/Deutschland.
Als die Restauratorin Judith Fuhrmann gespielt von der wunderbaren Martina Gedeck, den Kunsthistoriker Ernst Lemden / Klaus Maria Brandauer, kennenlernt, erobert der scharfsinnige Intellektuelle ihr Herz mit Witz und Wortgewandtheit im Sturm. Kurze Zeit später ziehen die beiden zusammen und beginnen ein gemeinsames Leben. Doch Ernst verändert sich zunehmend. Er zieht sich immer mehr in sich zurück und wirkt zerstreut. Anders als früher, muss er nicht mehr jedes Gespräch dominieren, hat seinen fast zwanghaften Hang zum Widerspruch verloren.
Judith beginnt, sich Sorgen zu machen. Als Ernst sich untersuchen lässt, ist die Diagnose niederschmetternd. Noch wiegt das Wort Alzheimer schwerer als die Symptome, die er erlebt. Doch unaufhaltsam nistet sich die Krankheit ein, ganz sachte, unaufgeregt, aber irgendwann nicht mehr zu verbergen. Ernst stellt sich seiner Krankheit und beginnt zu recherchieren.
Seine Tochter Katja und ganz besonders sein Sohn Theo, für die Ernst ihr Leben lang eine starke und autoritäre Vaterfigur war, sind mit der Situation völlig überfordert. Judith bleibt an seiner Seite, schützt ihn, versucht immer wieder, seine Persönlichkeit präsent zu halten. Allmählich fühlt Ernst sich dem Verfall immer stärker ausgesetzt. In der Gewissheit, dass er nicht allein ist, konfrontiert er sich mit den Konsequenzen….

Die Konsequenz dieser Krankheit habe ich durch das langsame Vergessen bei meinem Vater gesehen. Das hört sich jetzt nicht grade spektakulär an und doch führt es einen gradezu in den Wahn. Die Beherrschbarkeit der Krankheit erfordert ein hohes Maaß an Achtsamkeit, Ruhe, Zuwendung bis hin zur Liebe die alles verzeiht. Der demente Patient verliert irgendwann jeglichen Plan und grade am Anfang einer solchen Diagnose sind die hellen Momente noch in der Überzahl und damit steigt der Unmut über das eigene Versagen. Beim Betreuenden erwacht langsam die Gewissheit, dass es nunmehr immer etwas schlimmer werden wird und ein zurück keine Option sein wird.

Die Tage, Wochen, Monate ja am Ende Jahre werden ins Land ziehen und niemand außer Gott wird wissen wie weit der Weg noch ist oder wird.
Es ist tatsächlich wie vom Filmpatienten Brandauer geschildert:

Früher gab es bei uns eine alte grobmaschig schwere Gardine. Wenn man nur nahe genug herantrat, dann konnte man hindurch die Dinge auf der Straße erkennen, aber schon ein leichter Luftzug, ein leichtes Bewegen ändert das Raster vor deinen Augen und schon sind die Dinge, die eben noch klar waren, verschwommen oder weg und nicht mehr wahrnehmbar…
Ich will Euch nichts vormachen. Die Zeit der unbeschwerten Tage geht mit der Erkennung der Demenz verloren. Aus all meinen Tagen, den guten, aber auch den schlechten, habe ich eines mitgenommen:
Wenn man bereit ist, in eine Welt einzutauchen die dem Dementen scheinbar vertraut zu sein scheint weil er sich selbst zurückversetzt hat, zum Beispiel in seine eigene Kindheit, sollte man ruhig mit eintauchen und so lange es geht darin verharren. Denn in der Erinnerung des vor langer Zeit erlebten gibt es oft ein kleines Licht der Geborgenheit…

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Im Nebel des Vergessens

 

Wenn plötzlich alles dunkel scheint

Des Lebens Farbe grau vereint

Die Dinge nicht mehr klar sich zeigen

Erinnerungen draußen bleiben

Die Gestern noch ganz nah dich fanden

Und heute oft im Nebel landen

So hat dich tief umschlungen Freund

Die eine die dich nun vereinnahmt

Sie ist es die dich fest ergreift

Dich von uns weg in den Nebel reißt

Nur eines bleibt uns nun allein

Das Licht im Dunkel dir zu sein
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Diesen Text habe ich vor 3 Jahren für meinen Vater geschrieben,

der vor kurzem in eine Welt eingetaucht ist,

in der die Dinge von einst das Leben nicht mehr bestimmen.

J.K.
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Foto/Text JK ©17/02/2016

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